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Ulrich Hottelet
Freier Journalist

(Medienmagazin 'Journalist', August 2004)

Die geklonte Oppositionszeitung

Medienskandal in Kasachstan

Die Einflussnahme regierungstreuer Kreise auf missliebige Medien nimmt bisweilen bizarre Züge an. Jüngstes und selten plumpes Beispiel ist die komplett gefälschte Herausgabe der einzigen Oppositionszeitung in Kasachstan, der Assandi Times. Anfang Juni erschien die "Sonderausgabe", an der weder der Verlag noch die Redaktion in irgendeiner Weise beteiligt waren. Für regelmäßige Leser war die Fälschung schon an den ungewohnten Schrifttypen und am anderen Schreibstil zu erkennen. Aber auch gelegentlichen Lesern musste es eigentlich merkwürdig vorkommen, dass der inhaftierte Vorsitzende der größten Oppositionspartei des Landes, Galymzhan Zhakiyanov, urplötzlich "wünscht, nicht länger das Symbol eines unklaren Kampfs zu sein", seinem bisherigen Kurs abschwört und stattdessen dem Präsidenten Nursultan Nasarbajew seine Liebe bekundet. Andere Artikel hatten das offensichtliche Ziel, die Opposition zu spalten.

In den frühen Morgenstunden des 2. Juni hatten in Alma Ata Unbekannte in Autos Großhändler kostenlos mit Exemplaren der geklonten Ausgabe beliefert. Am selben Tag erreichte die Zeitung die Hauptstadt Astana auf dem Luftweg. Die aufwändige Aktion wurde also von langer Hand vorbereitet.

Die Fälschung einer Zeitung bricht eine Reihe von kasachischen Gesetzen. Die "wahre" Assandi Times veranstaltete Stunden nach der Auslieferung der geklonten Ausgabe eine Pressekonferenz. Redakteure beschuldigten dem Präsidenten nahe stehende Kreise als Täter, um die Parlamentswahlen im September zu beeinflussen. Untere Hierarchieebenen seien dazu logistisch nicht in der Lage. Die Administration verklagte daraufhin die Zeitung wegen Verleumdung. Das Gericht schloss sich der Rechtsauffassung der Regierung an, verurteilte Ende Juli die Zeitung zur Zahlung von 370.000 Dollar Schadenersatz und frierte das Vermögen des Herausgebers ein. Die OSZE, Menschenrechtsgruppen und westliche Diplomaten kritisierten die Einschränkung der Pressefreiheit durch das Urteil und das ihm zugrunde liegende Gesetz. Die Assandi Times kündigte Berufung an, um zumindest die Existenz bedrohende Höhe des Schadenersatzes zu mildern.

Außerdem stellte die Zeitung Strafanzeige. Allerdings erfahrungsgemäß mit wenig Aussicht auf Erfolg - obwohl die Schuldigen eigentlich leicht zu finden sein müssten, denn es gibt in Alma Ata nur vier Zeitungshäuser, die technisch zu einer solchen Veröffentlichung in der Lage sind.

So bleibt der Opposition wohl nur der "Trost", dass ihre Gegner in der Regierung auf mehr oder weniger ausgeklügelte publizistische Kampfmittel umgeschwenkt haben. In der Vergangenheit griff man zur Einschüchterung gleich zur rohen Gewalt: Oppositionelle wurden von Unbekannten zusammengeschlagen und bedroht und Redaktionsräume gingen in Flammen auf.

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